Samstag, 1. März 2014 von Christoph Prüm

Demokratie 2.0

Wir brauchen dringend einen erweiterten Demokratiebegriff.

Formal sind die westlichen Staaten Demokratien, weil sie die wesentlichen Elemente einer Demokratie aufweisen, also freie Wahlen und Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip. Dabei werden jedoch Minderheiten respektiert und Grund- und Menschenrechte garantiert. 
Demokratie bedeuet Volksherrschaft. Aber herrscht in den Parlamenten auch wirklich „das Volk"? Oder herrscht dort nicht doch das, was nach landläufiger Meinung überall herrscht, nämlich schlichtweg das Geld, zuweilen auch die „Macht des Faktischen" genannt? Eine Macht, die ParlamentarierInnen zu so genannten „marktkonformen" Entscheidungen zwingt?
 
Jedenfalls sieht man: Die Macht der Parlamente ist doch recht begrenzt. Solange die Wohlfahrt der meisten Wählenden von einem bereitgestellten Arbeitsplatz abhängt, wird auch die Wiederwahl einer Partei oder einer Regierung wesentlich von den bereitgestellten Arbeitsplätzen abhängen. Damit sind Parteien und Regierungen erpressbar. Das bleibt so, solange die Mehrzahl der Menschen sogenannte Arbeitnehmer oder Arbeinehmerinnen sind. Die Arbeitsplätze, die sie als Lohnabhängige brauchen, schaffen sie sich nicht selber und werden normalerweise auch nicht von der Regierung geschaffen. Arbeitsplätze erfordern in der Regel Investitionen. Kapitaleigner und Unternehmer in der freien Wirtschaft schaffen diese Arbeitsplätze. So kommt keine Regierung, sei sie noch so demokratisch gewählt, an den Kapitaleignern als den Eigentümer der Arbeitsplätze und damit den Inhabern der Macht des Faktischen vorbei. Marktkonforme Entscheidungen der Parlamentarier zum Vorteil der Kapitaleigner sind zwangsläufig das Resultat dieser Konstellation. 

Demokratie, Macht und Eigentum

Mag diese Machtkonstellation möglicherweise gar ganz natürlich und mit einer gewissen Berechtigung entstanden sein, so ergibt sich daraus aber dennoch ein erhebliches demokratisches Problem. Bei einer Vermögensverteilung wie sie heute besteht, bei der wenige Prozent der Bevölkerung den Riesenanteil der Eigentumsmacht an der Republik halten, besitzen diese wenigen Personen einen für ihre geringe Zahl unverhältnismäßig hohen Einfluss auf die demokratisch gewählten Staatsorgane. Somit fällt es schwer von einer wirklichen Volksherrschaft zu sprechen.

Die Macht des Faktischen, also die des Eigentums, wird bestehen bleiben und hat auch ihre Berechtigung um der Freihheit der Einzelnen willen. Sie sagt uns aber auch, dass ein gerechter, also ein gleichmäßiger demokratischer Machtanspruch des Einzelnen eine Teilhabe an diesem Eigentum voraussetzt. Ohne ein Minimum an Kapitalbesitz und die dadurch verringerte Abhängigkeit von einem durch andere Menschen bereitgestellten Arbeitsplatz, ist das demokratische Mitspracherecht nicht wirklich ein freies und bleibt somit von minderer Qualität. Das Volk, und alle seine Glieder, müssen weitestgehend die Möglichkeit der freien Entscheidung haben, wenn Demokratie einen Wert haben soll. Freie Entscheidungen in einer kapitalgesteuerten Marktwirtschaft setzen aber immer deutlicher einen minimalen Grundstock an Kapital voraus. Nur eine möglichst breite Streuung des Eigentums im Volk ermöglicht eine breite Streuung der Macht im Volk und wird uns die Volksherrschaft sichern.
 
Der demokratische Anspruch eines jeden Menschen auf einen angemessenen Anteil an der Macht begründet so auch seinen Anspruch auf einen Teil der Realmacht, also den Anspruch auf einen Teil am vorhandenen Reichtum des Landes. Dieser „Teilhabeanspruch" wird in einem demokratischen, auf der Idee des freien Individuums basierenden Staat nur unabhängig von den Eltern und der sozialen Herkunft gedacht werden können. Ein allgemeines Erbrecht, ein öffentliches Grunderbe, ein Pflichtteil für alle jungen Erwachsenen ist die Konsequenz aus dieser Forderung.
 
Die zunehmende Konzentration des Kapitals und damit auch der Macht auf wenige Menschen erfolgt ganz wesentlich auch vererbungstechnisch. Ihr kann eigentlich nur mit diesem allgemeinen Grunderbe, einem von der familiären Herkunft unabhängigen Mindest-Erbanspruch einer jeden Person begegnet werden.

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